Cyberangriff auf Vidymed

Cyberangriff auf Vidymed: Ransomware-Attacke erschüttert Gesundheitsversorgung in der Romandie

Am 7. Dezember 2024 wurde die Praxisgruppe Vidymed in der Romandie Opfer einer massiven Ransomware-Attacke. Der Angriff legte sämtliche IT-Systeme lahm und blockierte den Zugang zu sensiblen Patientendaten sowie den Terminkalendern der Ärztinnen und Ärzte.

Mehr als einen Monat nach dem Vorfall kämpfen die 90 Medizinerinnen und Mediziner, die in den drei medizinischen Zentren und der Kinder-Permanence in Lausanne und Épalinges jährlich rund 100’000 Konsultationen durchführen, noch immer mit den Folgen. Sie haben keinen Zugriff auf Patientendossiers, wodurch nicht nur die Behandlung erschwert, sondern auch die direkte Kommunikation mit den Betroffenen verhindert wird.

Datendiebstahl bisher nicht bestätigt

Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass Patientendaten gestohlen oder im Darknet veröffentlicht wurden. Ebenso blieb eine Erpressungsforderung aus – ein schwacher Trost in Anbetracht des massiven Schadens, der durch den Angriff entstanden ist.

Psychische Belastung für Ärztinnen und Ärzte

„Viele unserer unabhängigen Ärztinnen und Ärzte stehen momentan vor dem Nichts“, erklärte Patrick Marquis, Mitglied der Geschäftsleitung von Vidymed, im Interview mit RTS. „Sie müssen ihre gesamten Unterlagen mühsam neu aufbauen, was enorm viel Zeit und Energie kostet.“

Um die hohe psychische Belastung des Personals zu bewältigen, hat Vidymed mit Unterstützung des Kantons Waadt eine Anlaufstelle für psychologische Betreuung eingerichtet. Der medizinische Direktor von Vidymed betonte: „Es ist nachvollziehbar, dass die Ärztinnen und Ärzte verärgert oder wütend sind. Dieses Gefühl ist völlig berechtigt.“

Er beschrieb die emotionale Wirkung des Cyberangriffs eindrucksvoll: „Es fühlt sich an, als wäre in das eigene Zuhause eingebrochen worden. Der virtuelle Aspekt macht es noch beängstigender, weil man nicht weiß, wo die Bedrohung endet. Dieser Schock ist mehr als verständlich.“

Erhöhte Gefahr durch Folgeangriffe

Nach der Attacke warnt Vidymed nun vor möglichen Phishing-Versuchen. Cyberkriminelle nutzen häufig die Verunsicherung nach solchen Vorfällen aus, indem sie sich beispielsweise als Versicherungsgesellschaften ausgeben, um an weitere sensible Informationen zu gelangen.

Der Vorfall bei Vidymed verdeutlicht eindrucksvoll, wie gravierend die Folgen von Cyberangriffen auf kritische Infrastrukturen sein können. Die Auswirkungen betreffen nicht nur den Betrieb, sondern belasten auch das gesamte medizinische Personal erheblich.

Hypothetische Analyse des Vidymed-Ransomware-Angriffs aus Sicht eines Penetration Testers

Der Ransomware-Angriff auf die Praxisgruppe Vidymed verdeutlicht, welche schwerwiegenden Folgen Cyberangriffe auf Gesundheitseinrichtungen haben können. Die folgende Analyse basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen und stellt eine hypothetische Interpretation möglicher Schwachstellen dar. Die genannten Empfehlungen sind allgemein gültig und tragen dazu bei, ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.

1. Mögliche fehlende Segmentierung und Zugriffskontrollen

Die Tatsache, dass sowohl Patientendaten als auch Terminkalender blockiert sind, könnte darauf hindeuten, dass die IT-Infrastruktur nicht ausreichend segmentiert war. Ohne eine strikte Trennung von sensiblen Bereichen können sich Angreifer nach einem erfolgreichen Zugriff ungehindert im Netzwerk ausbreiten.

Empfohlene Massnahme:

• Einführung einer Netzwerksegmentierung (z. B. VLANs) zur Trennung kritischer Systeme

• Umsetzung einer Zero-Trust-Architektur, die den Zugriff auf das absolut Notwendige beschränkt

2. Hypothetischer initialer Zugang durch Phishing

Die nachträgliche Warnung vor Phishing-Angriffen könnte darauf hinweisen, dass der Angriff ursprünglich durch Social Engineering ausgelöst wurde. Phishing ist nach wie vor ein häufiger Angriffsvektor, insbesondere in Organisationen mit vielen Mitarbeitenden.

Empfohlene Massnahme:

Regelmässige Security-Awareness-Trainings zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden

• Technische Schutzmassnahmen wie E-Mail-Filter und Authentifizierungsmechanismen (DMARC, SPF, DKIM)

3. Eventuell unzureichende Backup-Strategie

Der anhaltende Datenzugriffsverlust könnte ein Indiz für unzureichende oder kompromittierte Backups sein. Ransomware zielt häufig darauf ab, vorhandene Sicherungen zu verschlüsseln oder zu löschen.

Empfohlene Massnahme:

• Implementierung einer 3-2-1-Backup-Strategie (3 Kopien, 2 Medien, 1 Offline-Backup)

Regelmässige Wiederherstellungstests, um die Funktionsfähigkeit der Backups sicherzustellen

4. Möglicherweise fehlender Incident-Response-Plan

Die lange Dauer bis zur Reaktion könnte darauf hindeuten, dass kein effektiver Incident-Response-Plan (IRP) vorhanden war. Ein klar definierter Notfallplan hätte den Schaden begrenzen und die Wiederherstellung beschleunigen können.

Empfohlene Massnahme:

• Entwicklung und regelmäßige Aktualisierung eines Incident-Response-Plans

• Durchführung von Notfallübungen (z. B. Tabletop-Exercises) zur Vorbereitung auf Sicherheitsvorfälle

5. Eventuell unzureichender Schutz der Endgeräte (Endpoint Security)

Die erfolgreiche Verbreitung der Ransomware könnte auf fehlende oder schwache Schutzmechanismen auf den Endgeräten hindeuten. Ohne wirksame Schutzsysteme können Schadprogramme leicht eingeschleust und ausgeführt werden.

Empfohlene Massnahme:

• Einsatz moderner Endpoint Detection and Response (EDR)-Lösungen zur frühzeitigen Erkennung von Bedrohungen

Regelmässige Sicherheitsupdates und Patch-Management

6. Mögliche Defizite bei der Netzwerküberwachung

Dass der Angriff nicht früher erkannt und eingedämmt wurde, könnte auf fehlende oder unzureichende Netzwerküberwachung hindeuten. Frühzeitige Anomalieerkennung ist entscheidend, um Angriffe rechtzeitig zu stoppen.

Empfohlene Massnahme:

• Implementierung eines Security Information and Event Management (SIEM)-Systems zur Echtzeit-Überwachung

• Einsatz von Intrusion Detection/Prevention Systems (IDS/IPS) zur Angriffserkennung und -abwehr

Fazit

Diese Analyse ist eine hypothetische Einschätzung möglicher Sicherheitslücken, basierend auf den verfügbaren Informationen. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind jedoch bewährte Best Practices in der IT-Sicherheit und tragen erheblich dazu bei, Ransomware-Angriffe und ähnliche Vorfälle zu verhindern.

Insbesondere für Gesundheitseinrichtungen mit sensiblen Patientendaten ist es unerlässlich, ihre Sicherheitsvorkehrungen laufend zu überprüfen, zu verbessern und gezielt auf potenzielle Bedrohungen vorzubereiten. Ein umfassender Sicherheitsansatz, der Technik, Prozesse und Menschen einbezieht, ist der Schlüssel, um zukünftige Angriffe abzuwehren und den Betrieb auch im Krisenfall aufrechtzuerhalten.