Warum Angriffsoberflächen wachsen – und niemand es merkt

IT-Sicherheit ist kein statischer Zustand. Sie ist ein Prozess, der sich ständig verändert – und zwar nicht nur durch Angriffe, sondern vor allem durch die eigene IT. Jede neue Anwendung, jedes Cloud-Konto, jedes externe Tool, jeder zusätzliche Mitarbeiterzugang erweitert die Angriffsoberfläche eines Unternehmens. Das geschieht meist schleichend, ohne strategische Absicht, aber mit weitreichenden Folgen.

Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen wachsen diese Strukturen organisch. Systeme werden hinzugefügt, wenn ein neues Projekt startet, ein Kunde eine spezielle Anbindung verlangt oder ein Dienstleister eine praktische Lösung vorschlägt. Niemand plant bewusst, ein komplexes Netz aus Abhängigkeiten zu schaffen – und doch entsteht genau das. Nach ein paar Jahren weiss oft niemand mehr, welche Server noch aktiv sind, welche Domains verknüpft wurden oder welche Cloud-Ressourcen seit Monaten ungenutzt herumliegen.

Diese „Schatten-IT“ ist kein exotisches Phänomen, sondern Alltag. Mitarbeitende richten spontan neue Cloud-Services ein, um schneller zu arbeiten. Entwickler erstellen Testsysteme, die nie wieder gelöscht werden. Externe Dienstleister erhalten Zugänge, deren Berechtigungen niemand mehr überprüft. All das erhöht die Angriffsfläche – und zwar unabhängig davon, ob eine Firewall oder ein EDR-System aktiv ist.

Der gefährliche Punkt ist: Die meisten Unternehmen merken es nicht. Sie glauben, ihre Sicherheitslage zu kennen, weil die produktive Umgebung ordentlich dokumentiert ist. Doch viele Angriffe beginnen genau dort, wo niemand hinschaut – bei alten Subdomains, Testsystemen, schlecht geschützten APIs oder vergessenen VPN-Accounts. Für Angreifer sind diese Lücken der perfekte Einstiegspunkt, oft mit direktem Zugriff auf produktive Netzwerke.

Regelmässige Penetrationstests oder externe Angriffsflächen-Analysen bringen hier Licht ins Dunkel. Sie decken auf, was über die Jahre entstanden ist: offene Ports, veraltete Zertifikate, unsichere Cloud-Buckets, nicht mehr gepflegte Webdienste. Diese Ergebnisse wirken manchmal banal – sind aber entscheidend, um wieder Kontrolle zu gewinnen. Transparenz ist der erste Schritt zu Sicherheit.

Gerade in Zeiten von Cloud- und Hybridinfrastrukturen reicht es nicht mehr, nur das eigene Rechenzentrum zu schützen. Daten, Identitäten und Systeme sind verteilt – über mehrere Anbieter, Plattformen und Geräte. Die IT-Sicherheit muss mitwachsen, sonst verliert sie ihre Wirksamkeit. Wer seine Angriffsoberfläche kennt, kann Risiken priorisieren, Verantwortlichkeiten klären und langfristig Kosten sparen.

Das Bewusstsein für diese Dynamik ist entscheidend. Sicherheit ist kein Zustand, sondern ein Gleichgewicht zwischen Wachstum und Kontrolle. Wer nur auf Vorfälle reagiert, bleibt im Blindflug. Wer jedoch regelmässig prüft, was tatsächlich sichtbar, erreichbar und angreifbar ist, schafft eine Basis für nachhaltige Cyberresilienz – unabhängig von Unternehmensgrösse oder Branche.